Welcher Persönlichkeitstest ist der wissenschaftlichste?
Welcher Persönlichkeitstest ist wissenschaftlich der beste?
…und welche kann man getrost vergessen?
In der Welt der Persönlichkeitstests, vor allem im deutschsprachigen Raum, herrscht anscheinend große Verwirrung. Es werden nämlich eine Unmenge an Tests angeboten, die sich selbst stets als die besten und validesten hochpreisen. Dabei gibt es von 16 Persönlichkeitstypen bis zu 123 Persönlichkeits“tieren“ alles, was das kreative Herz begehrt.
Die Grundannahme: Ein wissenschaftlicher Test wurde zuerst in einer Fachzeitschrift veröffentlicht
– und wurde dann von allerlei Fachkollegen in eigenen Arbeiten zitiert.
Das ist die Vorgehensweise, wie Wissenschaft funktioniert: Jemand forscht eingehend, sieht sich die aktuellen Belege für bzw. wieder eine Theorie an, erfindet dann eine neue Theorie (oder wandelt die alte ab) und veröffentlicht dann eine Studie hierüber.
In dieser Studie sollte am besten drin stehen, warum die aktuelle Theorie nicht stimmt, bzw. nicht ausreicht, und sollte dann auch mit eigenen Berechnungen aufwarten, wie man es besser machen könne.
Die Fachkollegen können sich dann in dieser Studie die Berechnungen ansehen und, wenn sie auf Zustimmung treffen, werden andere Wissenschaftler diese Studie als Grundlage für wiederum neue Studien zitieren.
Also spricht die Anzahl der ZITATE für- oder gegen eine Theorie. Wird etwas so gut wie gar nicht zitiert – dann kann man die Studie zu den Akten legen. Wird etwas immer und immer wieder zitiert, dann haben wir es mit einem „Basispaper“ zu tun, einem Grundlagenpapier, auf dem alle anderen aufbauen. Wie sieht es also um die Forscher aus, auf Basis deren Arbeiten die aktuell verfügbaren Persönlichkeitstests entwickelt wurden? Fangen wir gleich mal mit dem MBTI an, dem „Myers Briggs Type Indicator“
Der MBTI: Myers und Briggs weltberühmter Persönlichkeitstest
Viele haben ihn bereits gemacht, viele werden ihn noch machen: den Persönlichkeitstest von Myers und Briggs. Dieser Test steckt dich in eine von 16 Persönlichkeitskategorien, die äußerst vollmundig daherkommen. Ich persönlich wurde darin zum Beispiel als „Kommandeur“ eingestuft. Juhu!
Aber wie wissenschaftlich ist das Ganze? Die Erfinder müssen wohl enorm angesehene Wissenschaftler auf ihrem Gebiet gewesen sein, um so etwas Weltbekanntes aus dem Boden zu stampfen, richtig? Was verrät uns denn Wikipedia über die beiden Erfinder dieses Tests?
Nun, Katharine Cook Briggs, geboren 1875, war nicht ganz in einer psychologischen Akademie tätig. War sie wenigstens mathematisch versiert und war ein Profi in Statistik? Auch nicht so ganz: Der englischsprachige Wikipedia-Eintrag (einen deutschen gibt es nicht) verrät uns, dass die schulische Laufbahn zu Hause begann, wo sie von ihrem eigenen Vater unterrichtet wurde. Bis zum Alter von 14 hatte sie keine richtige Schulausbildung, bis sie dann auf’s College ging.
Zitat: „Briggs earned a college degree in agriculture (…)“ Sie erhielt also im Laufe ihres Studiums einen Hochschulabschluss in Landwirtschaft und danach arbeitete sie als Lehrerin. Kein Wort über irgendeine Ausbildung in Psychologie oder in irgendetwas, was mit Zahlen zu tun gehabt hätte. Zugegeben: Im die Jahrhundertwende gab es diesen Studienbereich wahrscheinlich noch gar nicht – erst in diesen Jahren wurde die Lehre Freuds‘ überhaupt berühmt. Weiter also zu ihrer Tochter:
Isabel Briggs Myers, geboren 1897, genoss anscheinend in ihren ersten Schuljahren ebenfalls keine anständige Schulbildung, sondern sie wurde von ihrer Mutter zuhause unterrichtet – wie diese damals selbst von ihrem Vater! Isabel blieb einer normalen Schule viele Jahre fern, bis auch sie mit dem Studium begann. Alter: unklar.
Am Swarthmore Collere studierte sie schließlich…. Politik! Ihr zukünftiger Ehemann war ein Jura-Student. Sie beiden heirateten im Jahre 1918, da war Isabel ungefähr 21 Jahre alt. Mehr verrät uns Wikipedia auch nicht zur Ausbildung. Und da nur „studierte“ dabeisteht, ist davon auszugehen, dass Isabel Briggs-Myers ihr Studium nicht zu Ende gemacht hatte! Sonst würde da etwas von „degree“ oder „graduation stehen. Das war’s!
Die Erfinder des MBTI-Tests waren eine diplomierte Landwirtschaftsexpertin – und eine Studienabbrecherin der Politikwissenschaft!
Keine dieser beiden Damen hatte auch nur im Ansatz eine Ausbildung in dem Bereich, den sie später mit ihren Ideen befüllten: Der Psychologie und der Statistik.
Dies sieht man auch sofort, wenn man sich auf die Suche nach wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Briggs und Myers begibt. Bei der Eingabe von „Katharine Cook Briggs“ in die Wissenschaftsplattform „Google Scholar“ erhält man zwar durchaus Ergebnisse – aber dabei handelt es sich nicht um Papers von ihr direkt. Was man bekommt sind Buchausschnitte und andere Papers die aus diesen Büchern zitiert haben. Es gibt von Katherine Briggs keine wissenschaftlichen Arbeiten.
Wie sehr ist die Fachwelt von ihrer Theorie begeistert? Haben wenigstens Studien, die den MBTI beinhalten, ihrerseits einen Haufen Zitate? Naja, wenn man die ersten 3 Seiten der „most relevant articles“ durchgeht hat das Paper, mit dem MBTI im Text, 58 Zitate eingesammelt. Seit seiner Veröffentlichung im Jahre 2000. In diesem Paper ging es um die Anwendung des Tests bei der Paartherapie.
Und wie sieht es aus, wenn wir ihre Tochter, Isabel Briggs Myers, in die Maske eingeben? Auch in diesem Fall bekommen wir keine Fachstudien, sondern Bücher geliefert, die sich mit dem Test befassen. Auch hier sind die Treffer mit dem Zitaten diejenigen, die sich auf die Bücher beziehen.
Welche Studien wurden bei Isabel ihrerseits am meisten von den Fachkollegen zitiert? Eine wirkliche wissenschaftliche Studie, welche Isabel Myers im Text beinhaltet, finden wir erst auf Seite 4. Diese Studie wurde 1974 veröffentlicht und konnte seitdem 40 Zitate ansammeln. Wir kommen also zu folgendem Schluss:
Die Erfinder des Myers-Briggs-Test-Indicator, MBTI, wurden in Jahrzehnten ein paar Dutzendmal von der Fachwelt in eigenen Papern zitiert.
Das war’s aber auch schon wieder! Gehen wir nun einige Wissenschaftler und Persönlichkeiten durch, die mit ihren Persönlichkeitstests im deutschsprachigen Raum bekannt sind – wir nehmen einfach mal Wikipedia und „Persönlichkeitstest“ als Recherchegrundlage.
TIPI – Das Trierer integrierte Persönlichkeitsinventar von Peter Becker
Nach Angaben des Buchcovers (Hogrefe Verlag) basiert der Test auf den Big Five und wurde nach dem „ordinalen Rasch-Modell konstruiert“. Das dazugehörige Paper wurde 2002 veröffentlicht, (https://econtent.hogrefe.com/doi/10.1026//0012-1924.48.2.68) und hatte den Originaltitel „The Trier Integrated Personality Inventory. Development of the instrument and comparative psychometric analyses according to the ordinal Rasch model and classical test theory“
Auf der Seite der veröffentlichten Zeitschrift lässt sich die Angabe finden, dass dieses Paper seit 2002 8 mal in anderen Studien zitiert wurde. Davon war 2 mal Peter Becker selbst der Zitator.
Das Paper lässt sich bei Google Scholar komischerweise nicht finden. Wenn man die Arbeiten weglässt, in denen Peter Becker selbst mitgearbeitet hat, hat das Paper, das sich am Meisten mit TIPI beschäftigt 73 Zitate. Die anderen Arbeiten, die mehr Zitate in sich vereinten, waren Analysen, wie man die Big Five am besten beschreiben. bzw. analysieren könne.
Der Gießen-Test von Beckmann, Brähler & Richter
Dieser Test wurde erstmals 1972 in einer Buchveröffentlichung genannt, wobei laut Wikipedias Eintrag über diesen Test bereits 1964 mit den Arbeiten begonnen wurde.
Wenn man bei Google Scholar „Gießen-Test“ eingibt und die Buchveröffentlichungen außer Acht lässt (& außerdem die Eigenzitierung der Autoren) dann hat das meistzitierte Paper, das diesen Test im Fließtext enthielt, 23 Zitate. Veröffentlichungsdatum 1977.
Eine neuere Überarbeitung des Tests aus dem Jahre 2012 („Der Gießen-Test II) wurde höchstens eine handvoll Mal zitiert – und dabei meistens von den Autoren selbst.
Im Wikipedia Artikel wird dann weiters angeführt, dass es spezielle Persönlichkeitstests gäbe, „die sich zum Einsatz im Wirtschaftskontext eignen.“ Schauen wir uns diese auch mal an:
Das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP)
Der Buchverlag, welchen diese Test bespricht, bewirbt sein Produkt vollmundig mit Vorzügen wie diesem: „Der bewährte Persönlichkeitstest ist für Personalauswahl und -entwicklung gleichermaßen geeignet.“ – und kostet in der Vollvariante lediglich knapp 800 Euro!
Die wissenschaftliche Grundlage dieses Tests wurde von Rüdiger Hossiep und Michael Paschen entwickelt und 1998 erstmals der Öffentlichkeit in Buchform vorgestellt.
Wenn man bei Google Scholar das „Bochumer Inventar“ eingibt, von den Ergebnissen Auflistungen, die Eigenzitierungen und die Bücher weglässt, hat das bedeutendste Paper, welches dieses Inventar besprochen hat, 20 Zitate.
Eine englischsprachige Version konnte leider nicht gefunden werden, was heißt, das dieser Test bzw. seine Studie auf englisch gar nicht veröffentlicht wurden.
Der OPQ 32 von SHL
…wurde von einem privatwirtschaftlichem Unternehmen erfunden. Auf der Seite von SHL zu diesem Test (https://www.shl.com/de/assessments/persoenlichkeit/shl-occupational-personality-questionnaire-opq/) findet man leider überhaupt nichts dazu, wer diesen Test wie wo wann entwickelt hat. Somit auch keine Scholar Recherche möglich, zumindest nach Namen des Wissenschaftlers.
Wenn man den Test selbst eingibt, OPQ32, bekommt man folgende Ergebnisse: Eine Studie, in welcher die Daten dieses Tests im Rahmen des Big Five interpretiert werden, hat 47 Zitate angesammelt.
An dieser Stelle lassen wir es mit der Analyse der von Wikipedia besprochen Tests lieber bleiben. Die restlichen Kandidaten wurden nämlich von Unternehmen entwickelt, eine Recherche bei Google Scholar brachte hier Treffer von weniger als 5 Zutage – was in der Wissenschaft zu vernachlässigen sind. Die Tests von „shapes“ oder „CAPTain“ sparen wir uns also.
Was ist denn eine anständige Anzahl an Zitaten?
Um einschätzen zu können, wie viel Zitate eine wichtiges Paper im Bereich Persönlichkeitstest normalerweise bekommen sollte, geben wir bei Google Scholar einfach mal „Big Five Personality Traits“ ein – damit kommt jede Studie und Meta-Analyse zum Vorschein, die im Titel oder Fließtext diesen Wortlaut enthält. Wie viele Zitate bekommen nun wichtige Studien, die die „Big Five Persönlichkeitseigenschaften“ enthalten?
Die Top 10 der Quellen hat folgende Zitatanzahl: 570, 2650, 1090, 500, 620, 900, 1020, 560, 1150, 320. Wir bewegen uns also bei wichtigen Papern bei mehreren hundert Zitaten, bei den richtigen „Brocken“ bei über 1000!
Da wird einem schnell klar, dass die oben genannten Tests deutscher Forscher international völlig bedeutungslos sind!
Keiner liest die Papers, keiner zitiert sie. Sie sind objektiv einfach zu vernachlässigen!
Wie sieht es mit der Big Five Aspektskala aus, im Vergleich zu den deutschen Tests? Welcher ist nun der beste Persönlichkeitstest?
Nachdem wir also oben zwischen ein paar Zitaten und wenigen Dutzend Zitaten rumgedümpelt sind, die deutsche Persönlichkeitstests im Vergleich wissenschaftlich für sich beanspruchen, wo steht der Big Five Test von Dr. Jordan Peterson? Wie viele Zitate konnte sein Paper seit Veröffentlichung 2007 für sich beanspruchen?
Tja, das 17-seitige Paper (Between facets and domains: 10 aspects of the Big Five.) wurde seit seiner Veröffentlichung sage und schreibe 1300 mal zitiert! Jawoll, eintausenddreihundert mal!
Schauen wir uns das doch mal graphisch im Vergleich zu denjenigen Persönlichkeitstests an, die Wikipedia uns vorher an’s Herz gelegt hat:
Jeder Persönlichkeitstest hat eine Dreiteilung in sich
Das gibt jeder Persönlichkeitstest auch zwischen den Zeilen zu, dass dies so ist: Wenn du schonmal so einen Test gemacht hast, läuft das so ab: Zuerst kommt die Frage und dann kannst du ankreuzen, wie stark du dieser Frage, bzw. dieser Aussage zustimmst. Dabei wirst du immer auf folgendes Schema treffen:
„Trifft nicht zu“ – „Weder Ja noch Nein“ – “ Trifft schon zu“
Diese Möglichkeiten können dabei 3 sein, meistens sind es aber 5 Intensitätsmöglichkeiten, aus denen man wählen kann, und manchmal sogar 7!
Bei dem Supertest von 16 Personalities kann man tatsächlich 7 Intensitätsstufen auswählen – während 123test es bei den klassischen 5 belässt:
Wie ihr klar erkennen könnt, ist der Big Five Test von Dr. Jordan Peterson, in der ausführlicheren Variante der „Aspektskala“ international DER Goldstandard, was Persönlichkeitstests angeht. Kein anderer Kandidat kommt auch nur in die Nähe, was dieses Paper aus 2007 an Fachreputation angesammelt hat. Jeder, der euch weismachen will „sein“ Test wäre der bessere und wissenschaftlichere, kann somit objektiv nach Hause geschickt werden 🙂
Was meint eigentlich Dr. Jordan Peterson persönlich zum Myers-Briggs Test?
Hier ein Ausschnitt von Dr. Peterson, in dem er seine Meinung zum Myers-Briggs kund tut (deutsche Untertitel)
Transkript des Videos:
„Die Frage lautet, ob ich persönlich eine Meinung zum Myers-Briggs Persönlichkeitstest habe… ja, zu dem Test habe ich tatsächlich eine Meinung: Er ist verdammt alt! Außerdem ist die Psychometrik dieses Tests nicht valide!
Der Test wurde damals nicht von einer statistisch belastbaren Faktorenanalyse abgeleitet! Deswegen sollte dieser Test von den Big Five abgelöst werden, besser noch: von der Big Five Aspektskala.
Auf Understandmyself könnt ihr diesen Test mittlerweile auch online machen. Mit diesem Online-Persönlichkeitstest bekommt ihr einen umfassenden Ergebnisbericht nach dem Big Five Modell. Myers und Briggs haben damals versucht, einen Fragebogen zu entwerfen, der auf Annahmen von Carl Jung beruhte.
Ich sage auch nicht, dass das für die 1930er kein gutes Vorgehen war, aber das ist nun wirklich schon sehr lange her – und damals gab es einfach noch nicht die technischen Hilfsmittel, im Sinne von Computern, die man einfach benötigt um die verschiedenen Dimensionen der Persönlichkeit statistisch ordentlich auswerten zu können. Diese Hilfemittel stehen uns erst seit den 1960ern zur Verfügung.
Wenn ihr daran interessiert seid, mit dem Myers-Briggs Test die Leute erstmal dafür zu sensibilisieren, dass es grundlegende Unterschiede zwischen den Persönlichkeiten gibt, dann ist dieser Test dafür natürlich geeignet.
Firmen finden diesen Test übrigens wahnsinnig toll, weil bei den Testergebnissen jeder gewinnt und sich keiner auf den Schlips getreten fühlt!
Wenn ihr aber einen Persönlichkeitstest wollt, der euch die Wahrheit darüber sagt, wer ihr wirklich seid… der valide und reliabel ist, dann solltet ihr einen Big Five Test machen. Mehr kann ich euch dazu nicht sagen.
Ich bin der Meinung, dass der Myers-Briggs Test endlich in die staubigen Schubladen der Vergangenheit einsortiert wird, wo er auch hingehört.
Der Test ist einfach nicht funktionsfähig in der heutigen Zeit und er ist nur noch ein archaisches Überbleibsel. Der Myers-Briggs Test ist einfach nicht mehr valide und sollte vergessen werden. Soviel dazu.“